Die Marienkirche auf dem Berg nennt drei Orgeln ihr Eigen und beherbergt eine wertvolle Leihgabe.
Die Steinmann-Orgel auf der Westempore wurde 1956 errichtet und 1975 um ein Rückpositiv erweitert. Ihre 40 Register sind spielbar über 3 Manuale und Pedal. Sie ist nach dem vom norddeutschen Barock inspirierten „Werkprinzip“ gebaut. Der Orgelprospekt lässt Rückschlüsse auf den klanglichen Aufbau zu: Die großen Türme, die den Prospekt einrahmen, werden vom Pedal aus angesteuert. Das im Zentrum der Orgel prangende Hauptwerk ist dem zweiten Manual anvertraut, das vorgelagerte Rückpositiv, hinter dem der Organist seinen Arbeitsplatz hat, wird auf dem ersten Manual gespielt, während das nicht sichtbare Brustwerk – es liegt in der Nähe der Organistenbrust – vom dritten Manual aus bedient wird.
Die Westempore – früher: Nonnenempore – war viele Jahre nur im Mittelschiff ausgebaut und beherbergte erst seit 1867 auf dieser Position eine Orgel.
Auf der Südseite des Kirchenschiffs befindet sich die Collon-Orgel, 2004 ermöglicht durch eine großzügige Spende des Unternehmers Dieter Ernstmeier. Sie ist dem Orgelbau südlich der Alpen nachempfunden. Spektakulär ist die waagerecht in den Kirchraum ragende Schamade im Stile spanischer Trompeten, auch „Trompeta de batalla“ genannt; letztere Bezeichnung charakterisiert treffend ihren offensiv schmetternden Klangcharakter. Das vom belgischen Orgelbauer Patrick Collon errichtete Werk verfügt über 30 Register, spielbar auf 2 Manualen und Pedal.
Die jetzige Position der Collon-Orgel an der Südwand war schon kurz nach der Kirchweihe im 14. Jahrhundert von einem Instrument geprägt, damals von einer musikliebenden Äbtissin gespendet - eine Zeit lang sogar als Schwalbennestorgel hoch oben unter der Rosette des Südfensters. Wie schön, dass seit 2004 dieser sehr direkte Zugang zur Orgel auch wieder erschlossen ist!
Schließlich befindet sich in der Nähe des Taufbeckens das Tzschöckel-Positiv, eine schmucke einmanualige Kleinorgel mit fünf Registern.
Ein besonderes Juwel ist das Collon-Positiv, Eigentum der Hochschule für Kirchenmusik und Leihgabe an die Marienkirche, das mit seiner mitteltönigen Stimmung hervorragend für die Interpretation von Orgelmusik aus dem Frühbarock und der Renaissance geeignet ist.
In der Marienkirche bilden sich Aspekte der weitverzweigten Geschichte des Orgelbaus ab: Im 3. Jahrhundert vor Christus hatte in Alexandria ein Ingenieur und Mathematiker, Sohn eines Frisörs, die Orgel erfunden. Unter dem Christenverfolger Nero avancierte die Orgel zum Statussymbol der römischen Oberschicht. Im Jahr 757 schenkte Konstantin der Fünfte dem fränkischen König Pippin dem Kleinen (Vater von Karl dem Großen) eine Orgel. Kirchenväter und Päpste verboten zunächst den Einsatz der Orgel im Gottesdienst – zu sinnlich, zu emotional, lenkt ab von Gottes Wort. Nach der Jahrtausendwende tauchen dann vermehrt Orgeln in Klöstern auf. 1287 ernannte das Konzil von Mailand die Orgel zum einzigen Gottesdienstinstrumente, und nur ein Jahrhundert später werden auch die ersten Orgeltöne über den Stiftberg gedrungen sein.
Die Reformation erwies sich in der Orgelfrage als gespalten. Während Martin Luther ein ausgesprochener Orgelfan war, war den Reformatoren Zwingli und Calvin die Orgel ein Gräuel. Doch der Siegeszug der Orgeln ließ sich nicht aufhalten. Im 19. Jahrhundert galt sie als das sakrale Instrument schlechthin. Nach heftigen Auseinandersetzungen zogen Orgeln auch in die repräsentativen Synagogen der liberalen jüdischen Großstadtgemeinden ein. Selbst Konzertsäle schmückten sich mit Orgeln. Es mag folgerichtig gewesen sein, die neuen Kulturtempel, deren Eingangsbereiche griechische Säulen zierten, auf diese Weise auch mit einem Hauch sakraler Aura zu schmücken.